Falknerei

Falknerei… Traditionelle Jagd in Lothringen

Etwas Geschichte

Die Geschichte Lothringens ist reich, ebenso die Geschichte der Jagd! Wir präsentieren heute die Falknerei einschließlich der Autourserie, welche  besonders von der Aristokratie betrieben wurde; Herzöge und andere Adelige der Gegend vertrieben sich damit jeden Sonntag die Zeit.

In der Volkszählung im Herzogtum Lothringen von 1594 widmet Thiéry Alix ein Kapitel der Zählung der “Aires d’ oyseaux estans ez forestz dutit Compté de Bitche” (etwa: Vogelbestand an den Seen und in den Wäldern in der Grafschaft Bitche). Wenn sich der Präsident der lothringischen Kammer der Wirtschaftsprüfer die Mühe macht, vierzehn Kapitel über Greifvögel zu schreiben, beweist dies ihre Bedeutung. Tatsächlich sind Raubvögel sowohl für die Behörden als auch für die bäuerliche Welt von Interesse. Auf der einen Seite konkurrieren sie mit dem Menschen: Sie werden beschuldigt, die Jagd zu beeinträchtigen und die Geflügelzucht zu schädigen, andererseits sind Sie ein beliebtes Hilfsmittel für die Jagd im Rahmen der Falknerei. Während sich im achtzehnten Jahrhundert die  Wahrnehmung als Greifvögel durchsetzt, herrschen vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) die Interessen der Jagd vor.

Autourserie und Falknerei

Die Unterscheidung basiert auf den verwendeten Greifvögeln. Die einfache Jagd im Flug, die für die Küche bestimmt ist, wird Niedrigflug-Jagd oder Autourserie genannt und mit Habichten oder Sperbern praktiziert. Erstere fangen Kaninchen, Fasane, Tauben oder Rebhühner, während man den zweiten für kleinere Beutetiere wie Wachteln, Lerchen oder Sperlingsvögel vorzieht. Im Gegensatz dazu ist die Falknerei oder Hochflug-Jagd ein vornehmer Sport, für die man den Falken verwendet.
Unter den Falken scheinen zwei Arten besonders geschätzt zu werden: Gerfalke und Lannerfalke. Der isländische Falke oder Gerfalke ist für seine Stärke und seinen schnellen Flug bekannt. Er wird empfohlen, um große Vögel wie Reiher zur Landung zu zwingen.

Beuteschlag mit Greifvögeln

Bis zum sechzehnten Jahrhundert ist der Besitz eines Falken ein herrschaftliches Privileg. Jeder Edelmann muss einen oder mehrere Greifvögel haben, die für die Jagd abgerichtet werden. Es ist damals strengstens untersagt, große oder kleine Greifvögel aus dem Nest zu nehmen oder ihre Eier und Nester zu zerstören. Jedoch wird dies Verbot nicht von den Bauern respektiert, die versuchen, die Greifvögel zu beseitigen, weil sie ihre Geflügelhöfe bedrohen. Jeder Verstoß wird durch eine hohe Geldbuße bestraft; die Gebiete werden von Wald-Wächtern bewacht. Mit einer hohen Prämie werden Förster belohnt, wenn sie junge Greifvögel abliefern oder ihre Anwesenheit den herrschaftlichen Falknern anzeigen. Habichte und Falken werden sodann eingefangen und für die Jagd abgerichtet.
Im 16. und 17. Jahrhundert erwähnen die lothringischen Archive mehrere Fänge junger Greifvögel für ihre Ausbildung oder Abrichtung. Habicht-Terzel, Sperber und Lannerfalken werden mit großem Aufwand an den herzoglichen Hof für die Jagd mit dem fliegenden Vogel geschickt. Die wichtigsten Gebiete lagen in der Grafschaft Bitche. So werden 1610 vier Habichte und drei Terzel (männliche Greifvögel) nach Nancy gebracht. Andere Greifvögel werden 1614, 1628 und 1630 eingefangen und nach Nancy gebracht, so steht es in den Archiven des Department Meurthe-et-Moselle.

Luftkämpfe

Bei den Jagden mit dem fliegenden Greifvogel scheint die auf den Reiher die beliebteste und spektakulärste zu sein. Wenn der Reiher merkt, dass sein Feind ihn verfolgt, steigt er immer höher, um den Falken müde zu machen, der versucht, noch höher zu fliegen. Wenn der Reiher seinem Angreifer durch dieses geschickte Manöver nicht entkommen kann, richtet er seinen spitzen Schnabel in Richtung auf den Falken. Mehrere Falken wurden dabei aufgespießt und schwer verwundet. Mit großen Getöse geht der Luftkampf in einen schnellen Gleitflug über, der am Boden endet.
Der Falke “bindet dann deine Beute”. Er hält sie fest in den Fängen, um sie bei der Ankunft des Jägers freizugeben.
Oft jedoch hat die Jagd nichts gebracht; nach einigen erfolglosen Versuchen war der Falke erschöpft, vielleicht frustriert, und weigerte sich, wieder zu starten. Reiter und Reittiere waren dann ebenfalls nach diesen erfolglosen Jagden hundemüde.

Eine teure aristokratische Freizeitbeschäftigung

Die Falknerei ist eine typisch aristokratische Beschäftigung. Die hohen Herren müssen einen prunkvollen Luxus zur Schau tragen bei der Jagd ebenso wie auch bei ihren anderen Beschäftigungen, um ihren Rang zu behalten. Die Jagd mit dem fliegenden Greifvogel bleibt ein Luxus, sogar wenn sie sich auf die Jagd nach dem Reiher beschränkt. Der Preis der hoch fliegenden Falken ist eine beträchtliche Summe, die in keinem Verhältnis zu dem Wert des erbeuteten Wildbrets steht, und dies umso mehr, als sie trotz aller Sorgfalt einer beträchtlichen Sterblichkeit zum Opfer fallen.

Die Greifvögel stellen auch ein kostbares Geschenk dar, das die Adligen  austauschen. So werden zwei Bewohner der Grafschaft Bitche in 1579 beauftragt,  Jagd-Vögel zum Grafen Conrad von Salm zu bringen. Mit solchen Geschenken wird die Freundschaft erhalten und der Lehnsherr des Wohlwollens versichert. In 1577 bat Anthony von Tawagny, Vogt von Bitche, den Ort Fleckenstein: “Wenn man mir ein Pärchen guter Greifvögel schenken wollte, z. B. ein Habichtpärchen, würde ich sehr dankbar sein. Im Gegenzug würde ich Ihnen einen guten Hund bewilligen”. Der Vogt erhielt Genugtuung und konnte im Flug jagen.

Im 17. Jahrhundert läutet die Totenglocke für die Falknerei in Lothringen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg findet sie nicht mehr zu ihrem Pomp zurück in einem verunsicherten politischen und sozialen Kontext; ihre exorbitanten Kosten und der Einsatz von Schusswaffen beschleunigen ihren Niedergang.

Im Zuge der Revolution scheint die Jagd mit dem Falken in ganz Frankreich aufgegeben worden zu sein. Sie lebte erst im zwanzigsten Jahrhundert auf Anstoß von Abel Boyer zaghaft wieder auf. Allerdings wird sie heute wieder genutzt an den Rollbahnen der zivilen (Roissy) oder militärischen Flughäfen wie Istres.

Ein kollektiver Sport

Die Falkenjagd beginnt in der Regel im November-Dezember und dauert bis März-April. Nur die hoch-aristokratische Jagd auf den Reiher findet während der Sommermonate statt. Für den größten Teil des Jahres haben die Falken Ruhe, vor allem während der Mauser. Bis zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts organisieren die Herzöge von Lothringen jedes Jahr in der Grafschaft Bitche eine Falkenjagd an der Grenze zu den elsässischen Herrschaften, um ihre Jagdrechte in diesem Gebiet nicht aufzugeben. Die Falkenjagd ist ein kollektiver Sport. Der Herr jagt nicht allein, er ist von Treibern und Falknern umgeben. Den Falken auf der Faust sucht die berittene Gesellschaft nach einem ebenen vegetationsfreien Boden, um den Luftkampf zu beobachten. Mit Stöcken bewaffnet schlagen die Knechte auf die Büsche, um die Hasen und das Federvieh zu vertreiben. Spaniels stöbern versteckte Tiere auf. Sobald das Wildbret erscheint, hebt der Falkner die Kappe ab, eine lederne Haube mit buntem Federbusch, und zeigt so dem  Falken seine Beute. Der Greifvogel wird gen Himmel geworfen, während die Jäger ihn im Galopp verfolgen, die Augen auf den Himmel gerichtet und nicht ohne Unfallrisiko.

Der Falke erhebt sich, fliegt über seine Beute und dann das “Buffet”: Er stößt zu und wirft sie zu Boden. Vorstehhunde suchen nach beiden Vögeln und helfen dem Falken, das Wildbret zu überwältigen. Der Falkner ruft seinen Falken mit einem Köder zurück und gibt ihm einen “Schnabelvoll”, ein Stück Fleisch als Belohnung für seine Leistung.

Artikel von Philippe Jéhin
East Hunter, Nummer 107. Juli 2007

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